Nun war es also soweit. Gegen Kost und Logis wollte ich einen guten Monat in Spanien arbeiten, um noch tiefer in die spanische Lebenskultur einzutauchen (und um meinen Geldbeutel zu schonen ^^). Am Dienstag Nachmittag (16. Mai 2017) kam ich mit dem Bus in Córdoba an. Beim Austeigen lief ich erstmal gegen eine Wand. Eine Wand in Form von dezenten 36° im Schatten.
Im Süden gelegen, aber ohne das mildere maritime Klima der Küste, ist Córdoba wohl einer der heißesten Orte Spaniens. Und das spürte man bereits jetzt im Mai. Ja ja, ich weiß. Ich sollte mich wohl besser an solche Temperaturen gewöhnen, wenn ich den Juli in Marokko verbringen will. Dazu hatte ich dann „glücklicherweise“ in dieser Woche auch ausreichend Gelegenheit.
Von einer Bushaltestelle, etwas außerhalb der Stadt, wurde ich von Laura mit dem Auto abgeholt. Laura ist die Gastmutter der Familie, bei der ich nun eine Woche lang leben sollte. Ein wenig stolz war ich zugegebenermaßen, als bei der Begrüßung alles glatt lief: jeweils ein angedeutetes Küsschen auf beide Wangen, so hatte ich das in Madrid gelernt ; -)
Auf der Fahrt stellte sich gleich mal heraus, dass wir uns die Woche wohl nur auf Spanisch unterhalten würden. Perfekt! Endlich die Gelegenheit in dieser Richtung ein paar Fortschritte zu machen. Von Anfang an zeigte sich Laura aufgeschlossen und überaus freundlich. Für uns beide war es eine Premiere. Sie hatte noch nie jemanden von Workaway bei sich zuhause gehabt und ich war das erste Mal bei einem Host, um zu arbeiten.
Ein paar Kilometer abseits von jeglichen öffentlichen Verkehrsmitteln, erreichten wir das Grundstück der fünfköpfigen Familie. Neben Laura lernte ich jetzt ihren Mann Grego und die drei Söhne der beiden kennen: Martín (8 Jahre), Tomás (6 Jahre) und Saulo (3 Jahre). Allesamt auf Anhieb sympathisch. Und auch wenn ich selbst immer eine Zeit lang brauche, um mit fremden Menschen richtig warm zu werden, hab ich mich gleichwohl gleich wohl gefühlt ^^
Laura und Grego sind zwei unglaubliche Selbstverwirklicher. Sie stellen gemeinsam in Handarbeit Holzspielzeuge für Kinder her und die Nachfrage ist mittlerweile enorm. Zusammen mit einer Praktikantin und einem Azubi kümmern sie sich um Herstellung und Vertrieb. Um Geld geht es den beiden dabei nicht. Als sie das Grundstück gekauft haben, gab es dort nichts als brache Erde. Eigenhändig haben sie ein Haus und zwei Werkstätten gebaut, ein Hühnergehege und einen Obst- und Gemüsegarten angelegt und für die Kinder einen kleinen Abenteuerspielplatz im Garten errichtet.
Die drei Jungs sind einfach nur liebenswert. Martín, der älteste, ist eher etwas ruhiger, zeichnet gerne und zeigt großes Interesse an der Natur. Tomás ist für die Action zuständig. Immer will er nochmal herumgewirbelt werden, nochmal ein Fahrradrennen fahren und nochmal Fangen spielen. „Otra“ (Kurzform von „otra vez“ = „nochmal“) ist wohl das Wort, das ich am häufigsten von ihm gehört habe. Saulo, der jüngste der Rasselbande, mischt überall ein bisschen mit, macht aber auch oft sein eigenes Ding. Auf jeden Fall ist er ein kleiner Schauspieler, wenn ihm was nicht passt ^^
Interessant für mich war vor allem, dass die Kinder nicht in einen Kindergarten oder eine Schule gingen, sondern zuhause ihre Bildung erhielten (> in Deutschland verboten!). Spielend lernen, je nach Interesse war hier die Devise. Dafür nahmen sich Laura und Grego auch bei noch so viel Stress die Zeit. Martín wurde bei seinem Interesse für die Natur mit Erklärungen, Internetrecherchen und Büchern unterstützt, die er zwar noch nicht selbst lesen konnte, durch die er sich aber mit Hilfe von Vorlesen dennoch ein ziemlich weitreichendes Wissen und Verständnis angeeignet hatte. Bei einer Art Forschungsprojekt hatte er beispielsweise in Eigenregie eine Ameisenkolonie in einem großen Glas angelegt, so dass man in alle relevanten Lebensbereiche dieser Insekten Einblick erhalten konnte.
Auf der anderen Seite interessierte sich Tomás, der Jüngere der beiden, neben Bewegung aller Art auch sehr für Geschriebenes. Bei meinen Schreibübungen für Spanisch auf meinem Tablet, sagte ich ihm die Laute vor und er konnte sie bereits den entsprechenden Buchstaben auf der Tastatur zuordnen, was er auch immer leidenschaftlich gerne tat. Die herausfordernde Frage ist also, warum ein Kind entgegen der eigenen Interessen zu einem bestimmten Zeitpunkt ein von fremden Erwachsenen festgelegtes Wissenspensum abrufen können muss. Ein Diskurs darüber wäre wohl unerschöpflich. Ich wollte an dieser Stelle nur aufzeigen, dass es auch andere Bildungskonzepte gibt.
Da es in meiner Arbeitsbeschreibung nur hieß, es ginge vor allem um kulturellen Austausch und dass ich ab und zu mal ein Auge auf die Kinder werfen sollte, half ich einfach überall mit, wo es gerade nötig war. Verpflichtend war davon nichts. Aber es tat gut, sich für die Gastfreundschaft und die herzliche Aufnahme zumindest etwas zu revanchieren. Jeden Abend war ich dann auch ziemlich platt, aber zufrieden. Ich bekam immer leckeres Essen – Tipp: Feldsalat mit Tomaten, Walnüssen, Käsewürfeln und klein geschnittenen DATTELN, einfach soooo gut – und hatte einen Wohnwagen für mich allein, während die ganze Familie zusammen in einem Riesenbett im Haus schlief. Das war mir erst sehr unangenehm, aber Laura meinte, dass es auch nicht anders wäre, hätten sie niemanden bei sich wohnen gehabt.
Am Samstag (21. Mai 2017) gönnte ich mir eine Pause und fuhr mit dem Fahrrad nach Córdoba. Der Tag war nicht zufällig ausgewählt. Es gab wieder mal ein Fest in der Stadt. Die Ferias de Mayo sind Volksfeste, die in den meisten Städten und größeren Dörfern Andalusiens Ende Mai gefeiert werden. Dabei gibt es zunächst einen Kutschenumzug verschiedener Familien zum Festplatz und anschließend feiert man in Festzelten, ähnlich wie auf dem Oktoberfest. Die Zelte sind jedoch kleiner und größtenteils in privater Hand, sprich man kommt nur mit Einladung rein. Statt traditionell bayerische Musik und Schlager hört man hier natürlich Flamenco, aber auch Reggaeton und Salsa. Córdoba selbst ist eine sehr schöne Stadt mit einer langen Liste von Sehenswürdigkeiten und mit ebenso langer Geschichte. Nicht umsonst ist sie bis auf kleinere Intermezzi seit der Römerzeit die Hauptstadt der südspanischen Provinz.
Die eine Woche verging wie im Flug und schließlich musste ich mich am Mittwoch auch schon wieder von Laura, Grego, Martín, Tomás, Saulo und den Hündinnen Panda und Mathilde verabschieden. Der Abschied fiel mir überraschenderweise schwer und das nach nur einer Woche! Es half jedoch nichts. Die ganze Familie würde bereits am nächsten Tag nach London fliegen, um dort die Hochzeit eines Verwandten zu feiern. Und für mich ging es nun weiter nach Marbella…
Doch zunächst mal auf zur Fotostrecke…