Hinter mir liegt eine Woche voller neuer fantastischer Eindrücke, neu erwachtem Interesse und großartigen Bekanntschaften. Marokko hat mich mit offenen Armen Willkommen geheißen. Oder besser gesagt war es Abdellatif, mein erster Couchsurfing-Host. Für Alle (Älteren ;-), die mit dem Konzept nicht vertraut sind: Couchsurfing ist eine Online-Plattform, wo Leute überall auf der Welt ihre „Couch“ (also einen freien Schlafplatz in ihrem Zuhause) unentgeltlich für ein paar Tage anbieten. Es geht dabei um kulturellen Austausch und darum, neue interessante Leute kennenzulernen. Die Plattform hat bereits Millionen Mitglieder, man kann also praktisch überall auf der Welt couchsurfen.
Gut, so viel zur Schleichwerbung ^^ Mein Host Abdellatif hat das Konzept von Couchsurfing vollkommen verinnerlicht. Als ich am Montag (19. Juni 2017) mit der Fähre in Tanger ankam, wartete er bereits am Hafenausgang auf mich. Zusammen machten wir uns auf den Weg durch die alte Medina (die verwinkelte Altstadt) zu seiner Wohnung und währenddessen machten wir uns miteinander bekannt.
Abdellatif ist 24 Jahre alt, wurde in Marokko geboren und wuchs dort bei amerikanischen Eltern auf. Englisch und Arabisch spricht er dementsprechend perfekt. Dennoch ist er durch und durch Marokkaner. Das Land hat er noch nie verlassen. Dafür hat er aber schon viele internationale Bekanntschaften in Marokko geschlossen. Arbeit fand er im Filmgeschäft, wo er Castings leitet und als Übersetzer tätig ist (z.B. für den Film „American Sniper“). Da jedoch im Moment nichts anstand, verwandte er seine gesamte Zeit darauf, mir Tanger in all seinen Facetten zu zeigen und all meine Fragen zu beantworten. Und das waren so einige!
Hier eine kurzer Überblick über die interessantesten Ausführungen: Marokko ist ein Königreich und dementsprechend gehört im Grunde auch Alles dem König, selbst wenn man das als Europäer vielleicht nicht ganz glauben kann. Ikea zum Beispiel musste das auf die harte Tour lernen. Der Konzern hatte ein Grundstück gekauft und eine seiner riesigen Filialen drauf gebaut. Man war schon einige Zeit im Geschäft, als es zu einer Querele mit dem Könighaus kam und der König verlangte, dass Ikea in einem offiziellen Schreiben um Verzeihung bitten sollte. Als der Konzern darauf nicht einging, wurde die Filiale kurzerhand beschlagnahmt und geschlossen. Nach vielen erfolglosen Versuchen, das Blatt irgendwie zu wenden, musste Ikea einsehen, dass an einem Entschuldigungsschreiben kein Weg vorbeiführte, denn auch rechtlich war der König entsprechend im Recht. Kaum war das Schreiben eingereicht, konnte die Filiale auch wieder ihre Tore öffnen.
Man kann jetzt selbstverständlich über diese Staatsform herziehen und alles Staatliche in Marokko verteufeln. Das wäre jedoch ziemlich einseitig gedacht. Sicher der König ist unfassbar reich und ein Großteil der Bevölkerung ist für unsere Verhältnisse arm. Außerdem ist formal jeder der Willkür eines Menschen unterworfen, was sicherlich einige Gefahren birgt. Doch auf der anderen Seite sieht man auch positivere Elemente. Beispielsweise die unglaublichen Baumaßnahmen des Königshauses, sowohl landschaftlich als auch die Infrastruktur betreffend. Ohne große Bürokratie werden hier riesige Grünflächen angelegt, Parkplätze geschaffen und Straßen ausgebaut. Und das unglaublich schnell. Abdellatif hat mir Bilder von Tanger vor fünf Jahren gezeigt und anschließend haben wir sie mit den heutigen Orten verglichen. Einfach unfassbar. Außerdem hat König Mohammed VI. anscheinend seine Macht genutzt um die Korruption in Regierungsbehörden deutlich zu reduzieren.
Auch den meisten Menschen in Marokko geht es eigentlich recht gut, wie Abdellatif meint. Der Eindruck von allgegenwärtiger Armut entsteht bei Europäern vor allem durch Äußerlichkeiten. Geht man durch die Städte wirken sie meist heruntergekommen, doch betritt man ein marokkanisches Haus, ein so genanntes Riad, ist das Innere oft wunderschön. Der Mercedes oder BMW wird auch lieber versteckt, doch es gibt ihn oft ^^ Allgemein setzt man hier wohl eher auf verborgene Schönheit.
Ein paar Sehenswürdigkeiten haben wir uns in und um Tanger natürlich auch angeschaut. Die alte Medina und der alte Markt von Tanger pulsieren vor allem nachts vor lauter Leben und auf den Dachterrassen kann man den berühmten marokkanischen Minztee genießen und nebenbei dem bunten Treiben zuschauen. Hier haben wir dann auch Alex, einen Kanadier, kennengelernt und sind schließlich immer zu dritt losgezogen. Die Grottes D’Hercule, eine Höhle in der Herkules vor seiner elften Aufgabe geschlafen haben soll, ist zwar sehr hübsch, meiner Meinung nach aber etwas überschätzt. Dafür war der Strand in der Nähe einfach super. Über die römische Treppe sind wir hinauf zum Café Hafa gestiegen, wo bereits berühmte Größen wie die Rolling Stones oder die Beatles zu Gast waren und von wo aus man einen wundervollen Blick über die Küste und das Meer hat. Und schließlich habe ich noch gelernt wie man eine echte marokkanische Tajine (eine Art Eintopf) macht – das erste Kochrezept in meinem Reisejournal : -)
Es waren aufregende vier Tage. Doch am Donnerstag (22. Juni 2017) hieß es dann auch schon wieder Abschied nehmen. Zumindest von Abdellatif. Alex werde ich in Fes wiedersehen, da wir gemeinsam zu einer Wüstentour aufbrechen wollen. Zunächst ging es für mich jedoch mit dem Zug nach Casablanca, um dort die zweite Hälfte der Woche zu verbringen!
Hier geht’s zum ersten Teil der Fotostrecke…