Reisebeiträge

Meine erste Pferdefarm oder die Entstehung des Wendy-Clubs

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Leduc ist ein kleines Städtchen ungefähr 30 km südlich von Edmonton, Albertas Hauptstadt. Hier stand ich nun am Montag (28. August 2017) am späten Nachmittag auf dem Parkplatz der Greyhound-Bus Filiale und wartete. Ich hatte nicht viele Informationen bekommen. Nur, dass ich an diesem Parkplatz vor einer halben Stunde hätte abgeholt werden sollen.

Gerade als ich mir überlegte, nach einem Café mit WiFi-Zugang zu suchen, hielt ein großer Pickup neben mir. „Sandy’s horsefarm?“, fragte ein riesiger, älterer Typ mit Cowboy-Hut und Sonnenbrille. Ich hatte weder eine Ahnung, ob mein neuer Arbeitgeber so hieß, noch ob Sandy ein Mann oder eine Frau ist. Um in kein Fettnäpfchen zu treten, bejahte ich einfach mal und zusammen luden wir meinen Rucksack auf die Ladefläche des Pickups. „I’m Ken, the husband of Sandy.“ Auch das half mir noch nicht recht weiter, aber immerhin brachte die lange Fahrt zur Pferdefarm etwas Licht ins Dunkel.

Der Cowboy Ken entpuppte sich als Ehemann der Farmerin Sandy. Obwohl beide einen gemeinsamen Hof besitzen, wirtschaftet jeder auf seine Weise. Ken arbeitet vor allem auf den Feldern und mit Kühen, während sich Sandy hingegen eine eigene Pferdezucht mit rund 100 Pferden aufgebaut hat. Beide haben nebenher jedoch auch noch Vollzeitjobs, was im Ganzen dann ein wirklich riesiges Arbeitspensum darstellt. Kein Wunder also, dass Sandy auf freiwillige Helfer angewiesen ist.

Auf dem Hof erwarteten uns bereits Sandy und die beiden anderen Volunteers Sarah und Carla mit dem Abendessen. Carla hat Sozialwissenschaften in Göttingen studiert und war nun mit Workaway in Kanada unterwegs. Sie war es auch, die mich glücklicherweise hierher vermittelt hat. Sarah, ursprünglich aus der Nähe von Frankfurt, studiert Pferdewissenschaften in Wien und arbeitete auf Sandys Pferdefarm im Rahmen eines Pflichtpraktikums. Während also Carla und ich keine Ahnung von Pferden hatten, konnten wir auf die Erfahrung von Sarah zurückgreifen, wodurch es die ersten zwei Tage auch echt gut lief.

Doch ein Damoklesschwert schwebte über Carla und mir. Nach dem Tischgebet bei meinem Willkommensessen eröffnete Sandy mir beiläufig, dass sie und Sarah von Mittwoch bis Sonntag einen Reitausflug in den Rockies (Rocky Mountains ^^) unternehmen werden. Zuversichtlich die vier Tage auch ohne die Beiden stemmen zu können, dachte ich mir nichts dabei. Wie schwer konnte das schon sein, wenn Sandy uns hier alleine lässt? Und sicherlich würde ja ab und zu jemand nach dem Rechten sehen … von wegen!

Der Mittwoch lief im Grunde noch ganz gut, auch wenn Carla und ich von Früh bis Spät so gut wie durchgearbeitet haben, um Alles auf die Reihe zu kriegen. Pferde, Hühner und Gänse füttern, Ställe ausmisten, Wasser bereitstellen, Eier einsammeln, Pferde in der Halle auslaufen lassen und Äpfel schälen und schneiden, um hier nur ein paar unserer täglichen Aufgaben zu nennen. Ob auch wirklich Alles in Ordnung war, hat nie jemand kontrolliert und nach einem schnellen Abendessen gingen wir hundemüde zu Bett.

Am nächsten Tag haben die Pferde wohl leider gecheckt, dass niemand da ist, der weiß, wie man ihnen Paroli bietet ^^ und so spielten dann auf einmal alle verrückt. Lucas, ein junger Hengst, ist einfach mal in seiner Box gestiegen, als ich ihm das Halfter anlegen wollte. Durchaus beeindruckend, wenn sich ein Pferd auf die Hinterbeine stellt und mit den Vorderbeinen nach einem tritt. War natürlich mehr eine Drohgebärde, aber trotzdem. Als Carla dann draußen Aurora, ein echtes Riesenvieh, wieder in den Stall bringen will, läuft die Diva-Stute Carla fast über den Haufen und beim anschließenden Hufauskratzen spielt sie gar nicht mehr mit. Während ich den Stall von einer weiteren Stute sauber mache und ihr die Schaufel, mit der sie gerade gespielt hat, wegnehme – weil ich das Ding halt auch mal brauche – tickt das Tier plötzlich aus, wirft den Kopf hin und her und tritt kräftig gegen die Stallwand. Ok, dachte ich mir, ich geh dann mal raus aus der Box :p

Irgendwie hatten wir am Ende vom Tag dann doch so ziemlich Alles hinbekommen. Bei dem Gedanken an den nächsten Tag, waren wir jedoch zugegebenermaßen den Tränen nahe. Aber auch der Freitag ging vorüber und am Abend gab’s den ersten Lichtblick, als eine neue, freiwillige Helferin auf der Farm ankam. Nachdem Leonie die allererste Frage nach Pferdeerfahrung bejaht hatte, schien die Welt für Carla und mich gleich ein wenig bunter ^^ Leonie, selbst auf einer Pferdefarm in Deutschland aufgewachsen, hatte gerade ihr Abi gemacht und nutzte die Zeit nun, um Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Zu dritt brachten wir auch noch die restlichen zwei Tage gut über die Bühne. Ein wenig stolz darauf waren wir durchaus.

Nach der Rückkehr von Sandy und Sarah kam am Montag sogar noch Marie dazu, ebenfalls aus Deutschland und ebenfalls mit langjähriger Pferdeerfahrung. Insgesamt waren wir nun fünf Volunteers und so verliefen die folgenden Tage wesentlich entspannter. Und jetzt ratet mal, was ich in dieser Woche noch gelernt habe!!! Reiten im Westernstil … zwar natürlich nur die ersten Grundlagen, aber es war trotzdem eine großartige, wenn auch manchmal schmerzhafte Erfahrung (s. Video! ; -)

Mit den Mädels des Wendy-Clubs verging die letzte Woche wie im Flug. Zusammen haben wir nach den Pferden auf den Koppeln geschaut, unsere täglichen und außerordentlichen Aufgaben erfüllt und die sonnigen Spätsommertage genossen. Ich hätte mir zu diesem Zeitpunkt durchaus auch vorstellen können noch länger auf der Farm zu bleiben. Joa mei ^^ man kann nicht Alles haben. Denn neue Abenteuer in den Rockies und ein Besuch aus Deutschland warteten bereits auf mich.

Hier geht’s zur Fotostrecke und den beiden Videos…

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