Reisebeiträge

Marokkanisches Dorfleben in Tioughza

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Die zwei zusätzlichen Tage am Rand der Sahara hatte ich gut nutzen können. Neben dem Interview mit Ahmed, fand ich endlich Zeit, mich nach Arbeit für die nächsten zwei Wochen (03.-16. Juli 2017) umzuschauen. Bei einem „Entwicklungshilfe“-Projekt – blödes Wort übrigens – in dem kleinen Dorf Tioughza im Süden Marokkos wurde ich fündig.

Der Name meines neuen Arbeitgebers war „Tilila“, was „Freiheit“ in der Sprache der Amazigh (Berber) bedeutet. Diese gemeinnützige Organisation wurde von Locals gegründet und ihr Ziel ist insbesondere die Verbreitung von Bildung im Rahmen interkulturellen Austauschs. Meine Aufgabe war es demnach einerseits Englischunterricht zu geben und bei der Renovierung einer Schule zu helfen, aber eben auch einfach nur interessante Gespräche zu führen und mich als Fremder in das Leben vor Ort einzubringen.

Es war eine tolle Erfahrung, in das marokkanische Dorfleben hineinzuschnuppern. Zum Waschen ging man am besten in den einzigen Hamam – eine Art Spa – im Ort. Hier konnte man sich in einem Dampfbad säubern und wurde danach mit einem rauen Schwamm ordentlich abgeschrubbt und massiert. Danach fühlte man sich einfach super entspannt.

Mit den Jungs im Dorf war natürlich Fußball spielen angesagt – eine Sprache, die bisher noch überall gesprochen wird ^^ Und selbst wenn man nur mal durch den Ort schlendern wollte, kamen aus irgendwelchen Seitenstraßen auf einmal n Haufen Kinder gelaufen und man befand sich wieder mal mitten in einem Fußballspiel ; -)

Auch im Team von Tilila wurde ich herzlich aufgenommen. Da sich gerade keine anderen Freiwilligenhelfer im Dorf aufhielten, durfte ich häufig am Familienleben von Abdellah, dem Leiter der Organisation, teilnehmen. So lernte ich seine gesamte Familie kennen und genoss die vorzügliche marrokanische Küche seiner Frau, seiner Cousine und seiner Mutter. Am Ende meines Aufenthalts wurde ich und das gesamte Tilila-Team sogar zu der Hochzeit eines Cousins eingeladen. Eine Gelegenheit, die ich mir natürlich nicht entgehen lassen wollte und so verschob ich meinen Aufbruch um einen Tag.

Die islamische Hochzeit nach Sitte der Amazigh war fantastisch und befremdlich zugleich. Die Familie der Braut begann die Feierlichkeiten zuhause. Die eigentliche Feier jedoch fand auf dem Grundstück des Bräutigams statt, wo wir uns ebenfalls einfanden. Am Abend schließlich kamen dann auch die Braut und ihre Familie dazu. Die meisten Männer und alle Frauen trugen prächtige Gewänder. Nach einem leckeren Essen und einem Haufen Fettnäpfchen, in die ich brav hineingestiegen bin, gab es traditionelle Live-Musik.

Fast die gesamten Feierlichkeiten erlebten Männer und Frauen dabei getrennt. Die Frauen aßen im Haus und die Männer in den Festzelten draußen. Bei den Musikaufführungen kamen die Frauen ebenfalls nach draußen, saßen aber abseits von den Männern und gingen auch immer wieder geschlossen zurück ins Haus. Sie feierten also im Grunde ihre eigene Feier. Am Ende der musikalischen Darbietungen jedoch fuhren einige der jüngeren Männer und Frauen dann zusammen zum Haus der Braut, um dort gemeinsam zu tanzen und zu feiern. Da Tilila jedoch für die Musik auf dem Hauptfestplatz zuständig war, verblieben wir beim Haus des Bräutigams und ließen den Abend entspannt ausklingen.

Ich freute mich sehr, so gut in das Team von Tilila eingebunden zu werden. Gleichzeitig fühlte ich mich aber das erste Mal wirklich als Fremder. In einem Dorf, wo jeder jeden kennt, und ich natürlich nicht gerade marokkanisch aussah, fühlte ich mich ein wenig wie ein exotisches Tier im Zoo. Köpfe drehten sich, sobald ich vorüberging, Gespräche verstummten und Unterhaltungen mit den Leuten im Ort entsponnen sich nur sehr zögerlich. Ich denke, eine solche Erfahrung täte jedem Menschen mal ganz gut. Es lässt einen darüber nachdenken, wie es wohl sein muss, in ein fremdes Land zu kommen, um dort zu leben.

Der Abschied von Tilila und dem Dorf Tioughza fiel mir trotz dieser leichten Unannehmlichkeiten schwer. Doch das nächste Abenteuer, worauf ich mich schon besonders freute, stand bereits vor der Tür…

Hier geht’s zur Fotostrecke…

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